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Ataxie, infantile spinozerebelläre
ORPHA:1186
Klassifizierungsebene: StörungZusammenfassung
Die Infantile spinozerebelläre Ataxie (IOSCA) ist eine erbliche neurologische Erkrankung mit früher und schwerer Beteiligung des peripheren und zentralen Nervensystems, die bisher nur in finnischen Familien bei 24 Patienten beschrieben wurde. In der finnischen Bevölkerung liegt die IOSCA-Heterozygotenfrequenz bei etwa 1:230. Charakteristisch ist das sehr frühe (zwischen 9 und 18 Monaten) Auftreten von Ataxie, Athetose und abgeschwächten Sehnenreflexen. Später, im Kindesalter, werden Ophthalmoplegie und Schallempfindungs-Schwerhörigkeit diagnostiziert. Noch später im Verlauf treten Optikusatrophie und eine sensorische Neuropathie mit fortschreitendem Verlust der myelinisierten Fasen im N. suralis auf. Bei weiblichen Patienten kann ein Hypogonadismus bestehen. Einige Patienten sind geistig retardiert. Epilepsie ist ein spätes Symptom und kann lebensbedrohlich sein. Die IOSCA wird autosomal-rezessiv vererbt. Ursache sind Mutationen im C10orf2-Gen (10q24), das für die mitochondriale Helicase Twinkle kodiert. Die häufigste finnische Mutation, c.1523A>G (p.Y508C), ist wahrscheinlich eine für Finnland spezifische sog. Gründermutation. Für diese Mutation waren 21 der 24 Patienten homozygot und die übrigen Patienten compound-heterozygot, mit c.952G>A (2 Patienten) bzw. c.1287C>T (1 Patient) als zweiter Mutation. Die Mutation führt zur Verminderung der mtDNA in Gehirn und Leber, nicht aber im Muskel. Zur Diagnose führen die klinischen Symptome und histopathologische Befund einer frühen und schnell progredienten axonalen Neuropathie in der Suralis-Nervenbiopsie. Die Diagnose bestätigende Befunde sind der Nachweis der Kleinhirnatrophie mit bildgebenden Verfahren und der Mutationsnachweis im C10orf2-Gen. Differentialdiagnosen sind früh-manifeste zerebelläre Ataxien mit sensorischer axonaler Neuropathie und epileptischer Enzephalopathie, mitochondriale Störungen mit axonaler Neuropathie (wie z.B. Friedreich-Ataxie), Progressive externe Ophthalmoplegie (PEO), juvenile oderadulte 'mitochondriale rezessive Ataxie-Syndrome' (MIRAS, mitochondriale Deletionen durch kernkodiertem Defekt) und POLG-abhängige Krankheiten (s. diese Termini). Den Eltern muss eine genetische Beratung angeboten werden. Die vorgeburtliche Diagnostik ist mit molekularer Testung möglich, wenn in einer betroffenen Familie beide Mutationen bekannt sind. Die Patienten und ihre Familien sollen von einem multidisziplinären Team mit Pädiater, Neurologe, Psychiater, orthopädischem Chirurg, Ergotherapeut, Beschäftigungstherapeut, genetischem Berater und Sozialarbeiter betreut werden. Die symptomatische Behandlung der Patienten umfasst: (i) Hörhilfen, Sprachtherapie und Zeichensprache für die Schwerhörigkeit; (ii) Ergotherapie, Orthesen und orthopädisch-chirurgische Eingriffe für die axonale Neuropathie; (iii) Gehhilfen, Rollstuhl, Physiotherapie und Beschäftigungstherapie für die Ataxie, sowie ggf. (iv) Antikonvulsiva und (v) Neuroleptica und Antidepressiva. Die Prognose ist nicht günstig. In der Adoleszenz werden die Patienten rollstuhlpflichtig, häufig sterben sie früh im Gefolge schwerer Krampfanfälle. Bei c.952G>A/ c.1523A>G-Compound-Heterozygoten scheint die Krankheit schneller und schwerer (mit Tod im Kleinkindalter) zu verlaufen.
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