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Adrenoleukodystrophie, X-chromosomale, zerebrale Form
Krankheitsdefinition
Die X-chromosomale zerebrale Adrenoleukodystrophie (X-CALD), ein Subtyp der X-chromosomalen Adrenoleukodystrophie (X-ALD, siehe dort), ist eine peroxisomale Erkrankung mit schwerer entzündliche Demyelinisierung im Gehirn, oft assoziiert mit einer Nebenniereninsuffizienz.
ORPHA:139396
Klassifizierungsebene: Subtyp der StörungZusammenfassung
Epidemiologie
Die X-CALD manifestiert sich bei 70% der männlichen und 2% der weiblichen X-ALD-Fälle und ihre geschätzte Prävalenz bei Geburts (weiblich und männlich) beträgt 1/20.000.
Klinische Beschreibung
Die X-CALD wird manifest bei bisher gesunden Jungen (2,5-10 Jahre alt, 50% aller Fälle), bei männlichen Patienten mit Adrenomyeloneuropathie-Symptomen (AMN, siehe dort) (35%), bei erwachsenen männlichen Patienten als Erstsymptom der X-ALD (~12%) und am seltensten bei erwachsenen Frauen (2%). Eine Nebennierenrindeninsuffizienz (AI, 65% der Fälle) ist oft latent, ohne Melanodermie, und zeigt sich als Müdigkeit, Übelkeit oder sogar als akute primäre Nebenniereninsuffizienz (siehe dort) zeigt. Eine AI geht manchmal den neurologischen Symptomen voran, die auf eine milde kognitive Dysfunktion beschränkt ist, ähnlich einer Aufmerksamkeitsdefizitstörung (ADD) bei Kindern. Es folgt eine aktive Phase Emotionale Labilität, kognitiver Abbau und visuell-räumliche Defizite oder Frontalhirn-Syndrom werden rasch begleitet von Störungen wie Hemiplegie oder Tetraparese, von zerebellärer Ataxie, reduziertem zentralen auditiven Unterscheidungsvermögen, Gesichtsfelddefekten, kortikaler Blindheit und oft von Krampfanfällen. Patienten können innerhalb von Wochen Sprachverständnis und Gehfähigkeit. Einige Patienten (10%) verbleiben in einer chronischen oder zum Stillstand gekommenen X-CALD und entwickeln häufig deutliche visuell-räumliche und kognitive Defizite. Es können Störungen auftreten, die einer Schizophrenie oder einer Psychose ähneln, insbesondere bei Jugendlichen und Erwachsenen.
Ätiologie
Ursache der X-CALD sind Mutationen im ABCD1-Gen (Xq28). Das Gen kodiert ALDP, ein peroxisomales Transmembran-Protein, das am Transport der CoA-Ester der sehr langkettigen Fettsäuren (VLCFA) vom Zytosol in das Peroxisom beteiligt ist. Mangel oder Funktionsstörung des ALDP führt zur Akkumulation der hydrophoben VLCFA in verschiedenen Lipidfraktionen und in Proteinen, die mit Fettsäuren acyliert sind. Eine gestörte VLCFA-Homöostase in Gliazellen führt zur Destabilisierung des Myelins. Folge ist eine schwere Neuroinflammation mit Beeinträchtigung der neuro-vaskulären Einheit, gefolgt von raschem funktionalem Abbau.
Diagnostische Verfahren
Bei männlichen Patienten wird vor dem Gentest wird zuerst eine Erhöhung der VLCFA-Konzentrationen im Plasma gesichert. Anfangs zeigt das Gehirn-MRI charakteristisch veränderte Signale der weißen Substanz, oft im Splenium oder Genu des Corpus callosum. Danach nehmen die demyelinisierenden Läsionen zu, erkennbar nach peripherer Gadolinum-Injektion.
Differentialdiagnose
Die ersten Symptome bei Knaben ähneln meist nicht einem echten ADD/HD (siehe dort). Allerdings können Patienten mit Aufmerksamkeitsdefiztiten fälschlich als ADD/HD diagnostiziert werden. AI-Symptome sind mit denen der kongenitalen oder erworbenen Formen der Addison-Krankheit identisch (siehe dort).
Pränataldiagnostik
Chorionzottenbiopsie (in der 10.-13. Woche), Amniozentese (15.-18. Woche) und Präimplantations-Gentests sind möglich.
Genetische Beratung
Die Krankheit wird X-chromosomal vererbt, mit weniger als 8% Neumutationen. Biochemische und genetische Tests der Eltern, Geschwister und anderer Familienmitglieder sind obligatorisch, um eine frühe Erkennung zerebrales MRI bei Knaben oder erwachsenen männlichen Personen zu ermöglichen. Dann kann, wenn ein HLA-gematchter Spender oder Nabelschnurblut zur Verfügung stehen, rechtzeitig eine allogenen Transplantation blutbildender Stammzellen (Knochenmarktransplantation) empfohlen werden. Gegenstand der genetischen Beratung sind auch systematische Gentests für Frauen mit dem Risiko, die Anlage zu tragen.
Management und Behandlung
Nur durch ein zerebrales MRI kann eine zerebrale Demyelinisierung erkannt werden, sogar vor dem Einsetzen von Symptomen, selbst leichter kognitiver Defizite. Bei männlichen Patienten mit einem anfänglich normalen MRI-Befund muss diese Untersuchung alle 6 Monate im Alter von 3 bis 12 Jahren und danach jährlich bis zum Alter von 50 Jahren für alle männlichen X-ALD-Patienten wiederholt werden. Eine allogene Transplantation blutbildender Stammzellen (HSCT) bleibt die einzige therapeutische Intervention, die die zerebrale Demyelinisierung anhalten kann, jedoch nur dann, wenn sie in einem sehr frühen Stadium durchgeführt wird. Geeignete Spender (HLA-identische nicht betroffene Geschwister, HLA-gematchte, nicht verwandte Spender oder Nabelschnurblut) müssen schnell identifiziert werden. Eine autologe Transplantation blutbildender Stammzellen, die genetisch korrigiert wurden, scheint bei den ersten 4 Patienten, die mit diesem Verfahren behandelt wurden, eine ähnliche Wirksamkeit zu haben wie eine allogene HSCT. Die AI und der Hypogonadismus werden mit einer HSCT nicht kuriert. Die Plasma-Testosteron-, Cortisol-, Mineralocorticoid-, ACTH-Werte und die ACTH-Stimulationsantworten müssen regelmäßig getestet werden. Eine Hormonersatztherapie kann erforderlich sein. Es gibt keine präventive Therapie bei X-CALD. Insbesondere Lorenzos Öl zeigt keine präventiven Wirkungen auf den Beginn der zerebralen Demyelinisierung.
Prognose
Unbehandelt werden etwa 90% aller Patienten bettlägerig, erblinden, verlieren die Sprache, benötigen eine Vollzeitpflege und versterben innerhalb von 2-5 Jahren. Eine zum Stillstand gebrachte X-CALD kann jederzeit in ein zweites Stadium mit rapider neurologischer Verschlechterung und zerebraler entzündlicher Demyelinisierung eintreten.
Detaillierte Informationen
Artikel für die allgemeine Öffentlichkeit
Artikel für Fachleute
- Zusammenfassung
- Polski (2013, pdf)
- Review-Artikel
- English (2012)
- Klinische Leitlinien
- Deutsch (2016)
- Empfehlungen für den Gentest
- English (2011)
- Review-Artikel (Klinischen Genetik)
- English (2018)
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