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Kallmann-Syndrom
Krankheitsdefinition
Das Kallmann-Syndrom (KS) ist eine erbliche Entwicklungsstörung mit kongenitalem hypogonadotropem Hypogonadismus (CHH) aufgrund eines Gonadotropin-Releasing-Hormon (GnRH)-Mangels und mit Anosmie oder Hyposmie (bei Hypoplasie oder Aplasie der Riechkolben).
ORPHA:478
Klassifizierungsebene: Subtyp der Störung- Synonym(e):
- Kongenitaler hypogonadotroper Hypogonadismus mit Anosmie
- Olfaktogenitales Syndrom
- Prävalenz: 1-9 / 100 000
- Erbgang: Autosomal-dominant oder Autosomal-rezessiv oder X-chromosomal-rezessiv
- Manifestationsalter: Kindesalter, Jugendalter
- ICD-10: E23.0
- OMIM: 147950 244200 308700 610628 612370 612702 614837 614838 614840 614858 614880 614897 615266 615267 615269 615270 615271 616030 618841
- UMLS: C0162809
- MeSH: D017436
- GARD: 10771
- MedDRA: 10053142
Zusammenfassung
Epidemiologie
Die Prävalenz wird (wahrscheinlich zu niedrig) auf 1/8.000 im männlichen und 1/40.000 im weiblichen Geschlecht geschätzt.
Klinische Beschreibung
Die meisten Fälle werden in der Pubertät diagnostiziert, wenn das Fehlen der Geschlechtsentwicklung auffällig wird, jedoch kann der Verdacht auf Vorliegen eines KS bereits im Kleinkindalter bei männlichen Patienten mit Kryptorchismus, Mikropenis oder Symptomen außerhalb des Urogenitaltraktes aufkommen. Die wichtigsten klinischen Merkmale sind das Fehlen einer vollständigen spontanen Pubertät und eine teilweise oder vollständige Anosmie bei beiden Geschlechtern. Unbehandelte männliche Erwachsene haben eine verringerte Knochendichte und Muskelmasse, ein verringertes Hodenvolumen (< 4 ml), erektile Dysfunktion und verminderte Libido und sind infertil. Unbehandelte weibliche Erwachsene haben nahezu immer eine primäre Amenorrhoe mit fehlender, geringer oder normaler Brustentwicklung. Seltene Symptome sind: Unilaterale (in einigen Fällen auch bilaterale und dann bei Geburt letale) Nierenagenesie, Hörstörungen, Lippen- oder Gaumenspalte, Zahnagenesie oder bimanuelle Synkinese, die über die Kindheit hinaus andauert.
Ätiologie
Ursache des KS ist eine Entwicklungsstörung des olfaktorischen Systems und eine unterbrochene embryonale Migration der GnRH-synthetisierenden Neuronen vom Riechepithel in die Hypothalamusregion. Die meisten Fälle sind sporadisch, jedoch wurden auch familiäre Formen beschrieben. Ursächliche Gene sind (i) bei der X-chromosomal-rezessiven Form KAL1 (Xp22.32); (ii) bei der autosomal-dominanten Form FGFR1 (8p12), FGF8 (10q25-q26), CHD7 (8q12.2) und SOX10 (22q13.1) und (iii) bei der autosomal-rezessiven und oligogenen Form PROKR2 (20p12.3) und PROK2 (3p21.1). Ob evtl. weitere Gene (z.B. SEMA3A) an der Genese des KS beteiligt sind, ist noch nicht geklärt.
Diagnostische Verfahren
Zur Diagnose führen Hormonanalysen (Geschlechtshormone, Gonadenpeptide, Hypophysen-Gonadotropintest) und die Untersuchung des Geruchssinnes (Olfaktometrie). Die morphologische Analyse der Riechkolbens durch MRI kann hilfreich sein, vor allem bei jungen Kindern. Gentests können eine mutationsverursachende Erkrankung identifizieren und sind vor Beginn einer Unfruchtbarkeitsbehandlung obligatorisch.
Differentialdiagnose
Differentialdiagnosen sind der isolierte kongenitale Gonadotropin-Mangel und das CHARGE-Syndrom (siehe jeweils dort).
Pränataldiagnostik
In einem familiären Umfeld mit FGFR1-, FGF8-, KAL1- oder CHD7-Mutationen können Knochenanomalien, Lippen-/Gaumenspalten, Nierenagenesie oder multiple Entwicklungsdefekte beim Fötus durch Ultraschalluntersuchung erkannt werden.
Genetische Beratung
Eine genetische Beratung sollte bei jeder Familie in entsprechend angepasster Form erfolgen, wobei der potentielle Erbgang (AD/AR, X-chromosomal oder möglicherweise oligogen) und die erhebliche Vielfalt bei den klinischen Erscheinungsformen selbst innerhalb derselben Familie und die bei sporadischen Fällen vorhandene Möglichkeit von Neumutationen mit zu berücksichtigen sind.
Management und Behandlung
Ziele der Hormonersatztherapie sind die Induktion der Pubertät und später der Fertilität. Um bei männlichen Patienten eine normale Virilisierung und ein erhöhtes Hodenvolumen zu erzielen, werden Testosteronester angewendet, gelegentlich erfolgen auch Injektionen von humanem Choriongonadotropin (hCG) in Kombination mit follikel-stimulierendem Hormon (FSH) oder als Monotherapie. Für die Stimulation der Spermatogenese bei Erwachsenen ist die kombinierte Gonadotropintherapie unerlässlich. Weibliche Patienten erhalten Östrogene zur Induktion der Brust- und Genitalentwicklung und Progestagene zur Regulation des Zyklus. Die pulsatile GnRH-Gabe oder exogene Gonadotropine werden verwendet, um die Follikulogenese und Ovulation zu induzieren und um damit die Fertilität wiederherzustellen. Gegenwärtig gibt es keine Behandlung der Anosmie.
Prognose
Das KS ist nicht lebensbedrohlich. Durch die Hormonbehandlung wird bei allen Patienten in der Pubertät eine Feminisierung bzw. Virilisierung erreicht. Wenn Fertilität angestrebt wird, kann diese in den meisten Fällen auch erreicht werden. Der Kryptorchismus männlicher Patienten hat eine ungünstige Prognose.
Detaillierte Informationen
Artikel für die allgemeine Öffentlichkeit
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- Klinische Leitlinien
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- Praktische Genetik
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- Empfehlungen für den Gentest
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- Review-Artikel (Klinischen Genetik)
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