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Multiple Systematrophie
Krankheitsdefinition
Die Multisystematrophie (MSA) ist eine neurodegenerative Erkrankung mit Störung autonomer Funktionen (Herzkreislauf und/oder Harnblase), mit Parkinsonismus, Kleinhirnsymptomatik und kortiko-spinalen Zeichen. Die Patienten überleben im Mittel 6-9 Jahre.
ORPHA:102
Klassifizierungsebene: StörungZusammenfassung
Epidemiologie
Schätzungen der Prävalenz reichen von 1/50.000 bis 1/20.000. In westlichen Ländern überwiegt der MSA-Parkinsonismus-Typ (MSA-p), in der östlichen Hemisphäre der MSA-Kleinhirn-Typ (MSA-c) (s. diese Termini). Beide Geschlechter sind gleich häufig betroffen.
Klinische Beschreibung
Die MSA setzt im Erwachsenenalter ein (> 30 Jahre, mittleres Alter 55-60 Jahre). Klinische Symptome sind: Autonome Störungen (orthostatische Hypotension, Synkope, Atemstörungen (Schlafapnoe, Stridor und inspiratorisches Seufzen), Obstipation, gestörte Blasenfunktion (früh Harninkontinenz), erektile Dysfunktion des Mannes und Raynaud-Syndrom) und in einigen Fällen Pyramidenzeichen (allgemein gesteigerte Reflexe, positiver Babinski). MSA-p, eine Form der MSA mit überwiegender Parkinson-Symptomatik ist gekennzeichnet durch Bradykinesie, Rigidität, unregelmäßigen, ruckartigen Haltungstremor, abnorme Haltung (Kamptokormie; s. dort), Pisa-Syndrom und übermäßig nach vorn geneigten Hals (Antecollis). Unter Levodopa können MSA-p-Patienten eine oro-faziale und kranio-zervikale Dystonie entwickeln. Ein klassischer ''Pillendreh''-Ruhetremor ist ungewöhnlich. MSA-c ist eine Form der MSA mit überwiegend zerebellären Symptomen wie Gang- und Gliedmaßenataxie, okulomotorischen Störungen und Dysarthrie. Der zunächst im Vordergrund stehende zerebelläre Phänotyp kann sich im Verlauf in eine zunehmmend schwere, das klinische Bild dominierende Parkinson-Symptomatik wandeln. Neuropsychiatrische Symptome der MSA sind neben gestörter okulomotorischer Funktion und Schlafstörungen (REM-Schlaf-Verhaltensstörung, periodische Bewegung der Gliedmaßen im Schlaf) Apathie, Angststörung und Depression.
Ätiologie
Die Pathogenese der MSA ist nicht geklärt. Wichtigstes Merkmal der Krankheit sind Aggregate von α-Synuclein im Zytoplasma vor allem der Oligodendroglia, zusammen mit Neurodegeneration in striato-nigralen und olivo-ponto-zerebellären Strukturen. In Multiplexfamilien mit MSA wurden Mutationen im COQ2-Gen (4q21.23) gefunden. (Das Gen kodiert für ein Enzym in der Biosynthese von Coenzym Q10.) Einige COQ2-Varianten waren mit einem erhöhten Risiko für sporadische MSA verbunden.
Diagnostische Verfahren
Der diagnostische Verdacht ('vermutlich' MSA) ist gegeben, wenn neben Parkinsonismus mit geringer Wirkung von Levodopa oder zerebellären Symptomen schwere autonome Störungen bestehen (anders nicht erklärbare Harninkontinenz, orthostatische Hypotonie (Blutdruckabfall von mindestens 30 mm Hg systolisch oder 15 mm Hg diastolisch nach 3 Minuten Stehen)). Befunde im MRT sind Atrophie des Putamens und der mittleren Kleinhirnstiele. Durch [18F]-Fluor-Desoxyglukose-Positron-Emissions-Tomographie wird im Putamen und Kleinhirn ein Hypometabolismus nachgewiesen. Die 'definitive' Diagnose einer MSA erfordert den postmortalen Nachweis von Alpha-Synuclein-positiven Einschlüssen im Zytoplasma der Gliazellen und Neurodegeneration der striato-nigralen und olivo-ponto-zerebellären Strukturen.
Differentialdiagnose
Differentialdiagnosen der MSA-p sind Parkinson-Krankheit und atypische Parkinson-ähnliche Störungen (Progressive supranukläre Parese, Kortiko-basales Syndrom). Differentialdiagnosen der MSA-c sind dominant vererbte spinozerebelläre Ataxien (SCA 1, 2, 3, 6 und 7), das Fragile X-assoziierte Tremor-/Ataxie-Syndrom (FXTAS) (s. diese Termini) und Mitochondriopathien (Mutationen im POLG1-Gen).
Genetische Beratung
MSA tritt sporadisch auf, es wurden aber auch einige familiäre Fälle beschrieben.
Management und Behandlung
Die Behandlung betrifft vor allem den Parkinsonismus und die autonomen Störungen. Bei 20-30 % der Patienten wird der Parkinsonismus durch Levodopa vorübergehend vermindert. Eine wirksame neuroprotektive Therapie gibt es nicht.
Prognose
Die MSA ist schnell-progredient und führt zu Rollstuhlpflicht, unverständlicher Sprache, immer wieder notwendiger Urin-Katheterisierung, schwerer orthostatische Hypotension und kognitiven Einschränkungen (gestörte exekutive Funktionen). Das Fortschreiten der Krankheit wird mit der vereinheitlichten MSA-Skala (UMSARS) dokumentiert. Beurteilt werden die Aktivitäten des täglichen Lebens, autonome und motorische Störungen und der Grad der allgemeinen Einschränkung. Die Prognose ist ungünstig, die mittlere Überlebensdauer beträgt 6-9 Jahre.
Detaillierte Informationen
Artikel für die allgemeine Öffentlichkeit
Artikel für Fachleute
- Zusammenfassung
- Polski (2014, pdf)
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- Review-Artikel
- Français (2010)
- Klinische Leitlinien
- Français (2015)
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