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Riboflavin-Transporter-Defizienz
Krankheitsdefinition
Der Riboflavin-Transporter-Mangel (RTD, Brown-Vialetto-Van Laere-Syndrom) ist eine fortschreitende Motorneuron-Erkrankung mit Ateminsuffizienz, Schallempfindungs-Schwerhörigkeit und progredienter ponto-bulbärer Paralyse.
ORPHA:97229
Klassifizierungsebene: StörungZusammenfassung
Für diese Krankheit ist ein aktuellere Kurzbeschreibung in der englischen Version verfügbar
Epidemiologie
Bisher wurden 80 Fälle beschrieben.
Klinische Beschreibung
Der Beginn der Symptome des RTD liegt in einem Zeitraum, der vom Säuglingsalter bis zur Adoleszenz reichen kann. RTD zeigt sich in Kindheit und Adoleszenz mit Bulbär-Paralyse und Muskelschwäche, dem oft eine Schallempfindungs-Schwerhörigkeit vorausgeht. Einige Patienten bleiben nach Einsetzen der Schwerhörigkeit über mehrere Wochen, andere auch über ein Jahrzehnt, frei von weiteren Symptomen. Vor dem 4. Lebensjahr erkrankende Kinder haben oft Atemschwierigkeiten wegen Zwerchfell-Lähmung, und der Krankheitsverlauf ist sehr rasch progredient. Zeichen der Bulbär-Paralyse sind: Schwäche der Gesichtsmuskulatur, Ptose, reduzierte horizontale Augenbewegungen, Dysphagie und verwaschene Sprache. Motorneuron-Symptome an den Extremitäten sind Schulteradduktion mit asymmetrisch abfallenden Schultern und abstehenden Schulterblättern, Knöchelkontrakturen und ungewöhnlich gesteigerte tiefe Sehnenreflexe. Auch Gangstörungen können beobachtet werden. Bei einigen Fällen wurden Retinitis pigmentosa und hyperpigmentierte Makula beschrieben. Weitere Symptome sind: Vegetative Funktionsstörungen (7% der Fälle mit spätem Beginn), Tremor (8%) und Epilepsie (4%).
Ätiologie
Ursache des RTD sind Mutationen in den Genen SLC52A2 (8q24.3) und SLC52A3 (20p13). Diese Gene kodieren gemeinsam mit SLC52A1 die mutmaßlichen Riboflavin-Transporterproteine, deren Rolle im Nervensystems noch untersucht wird. Neuronenverlust in den motorischen Kernen der Hirnnerven in Höhe der Medulla oblongata und Degeneration der Rückenmark-Vorderhornzellen wird in Fällen mit Beginn in der Kindheit gefunden.
Diagnostische Verfahren
Es kann eine Mutationsanalyse aller drei Riboflavin-Transportergene durchgeführt werden. Abnorme Flavin-Plasmaspiegel und ein auffälliges Acylcarnitin-Profil wurden bei einigen, jedoch nicht bei allen Patienten beobachtet. Die Konzentration der Flavinmononukleotid (FMN)- und Flavinadenindinukleotid (FAD)-bindenden Proteine kann reduziert sein.
Differentialdiagnose
Differentialdiagnosen sind: Amyotrophe Lateralsklerose, Joubert-Syndrom, Madras- Motorneuronkrankheit (MMND) und Nathalie-Syndrom (siehe jeweils dort). Glutarazidämie Typ 2 (siehe dort) kann einem RTD mit frühem Beginn ähneln, jedoch schließen die Laborbefunde einer Glutarazidurie und Ethylmalon-Azidurie sowie Suberylglyzin mit geringen Carnitin-Werten im Plasma einen RTD aus.
Genetische Beratung
Der Riboflavin-Transportermangel wird autosomal-rezessiv vererbt.
Management und Behandlung
Bei Fällen mit frühem Beginn ist eine symptomatische Behandlung unverzüglich einzuleiten: Unterstützte Beatmung, Tracheostomie, sofern erforderlich, und die Aufrechterhaltung der Ernährung per Gastrostomie können notwendig sein. Da einige Symptome irreversibel sein können, ist mit der täglichen Verabreichung von Riboflavin (10 mg/kg täglich in 3 Dosen) vor der endgültigen Diagnose zu beginnen. Eine regelmäßige klinische Abklärung im Verlauf der Behandlung muss von einer neurologischen Untersuchung und Tests der Hirnnerven, Hörtests und Ultraschalluntersuchungen des Diaphragmas begleitet werden.
Prognose
Die Krankheit verläuft sehr unterschiedlich: Die Lebenserwartung unbehandelter Patienten unter 4 Jahren beträgt weniger als 1 Jahr, die Mortalität 85%. Die Krankheitsdauer unbehandelter Patienten mit Beginn der Symptome im Kindesalter (4-10 Jahre) bzw. in der Adoleszenz (11-17 Jahre) beträgt mehr als 10 Jahre, bei Mortalitätsraten von 53% bzw. 19%. Die Störung generalisiert sich in der Folge und führt zu Hypotonie, Amyotrophie und fortschreitender Paralyse; Ateminsuffizienz ist dann Todesursache. Behandlung mit Riboflavin führt zu signifikanter klinischer Besserung. Einige Patienten sprechen innerhalb von Tagen an, bei anderen kommt es im Verlauf von mehreren Monaten zu deutlicher Besserung. Positive Ergebnisse wurden bei allen bis auf einen der bislang behandelten Patienten erzielt, weitere langfristige Studien werden derzeit durchgeführt
Detaillierte Informationen
Artikel für Fachleute
- Zusammenfassung
- Polski (2013, pdf)
- Review-Artikel
- English (2012, pdf)
- Klinische Leitlinien
- Français (2021)
- Review-Artikel (Klinischen Genetik)
- English (2021)
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