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Mohr-Tranebjaerg-Syndrom
Krankheitsdefinition
Das Mohr-Tranebjaerg-Syndrom (MTS) ist eine X-chromosomal vererbte intellektuelle Entwicklungsstörung. Charakteristische klinische Symptome sind: In der frühen Kindheit einsetzender Gehörverlust, gefolgt von in der Adoleszenz einsetzender progressiver Dystonie oder Ataxie, Einschränkung des Sehvermögens ab dem frühen Erwachsenenalter und Demenz ab der vierten Lebensdekade.
ORPHA:52368
Klassifizierungsebene: StörungZusammenfassung
Epidemiologie
Die Prävalenz ist unbekannt. Bisher sind mehr als 90 Fälle aus 37 Familien bekannt. Nicht alle diese Fälle sind jedoch publiziert.
Klinische Beschreibung
Der Beginn des einzigen pathognomonischen Symptoms, eines rasch fortschreitenden prälingualen oder postlingualen sensorisch-neuralen Hörverlustes, liegt in der frühen Kindheit (18 Monate). Der audiologische Phänotyp ist durch eine auditorische Neuropathie gekennzeichnet, die sich durch erhaltene OAE (oto-akustische Emissionen), abnorme ABR (auditive Hirnstammreaktion) und sehr schlechter Sprachdiskrimination mit Verschlechterung in lauter Umgebung auszeichnet und nur fragwürdige Verbesserung bei Behandlung mit Cochlea-Implantaten (nur sehr wenige Fälle berichtet) aufweist. Neuropsychologische Symptome, wie Persönlichkeitsveränderungen, Paranoia und eine mild geistige Behinderung können sich zur selben Zeit entwickeln. Ab der frühen Adoleszenz entwickeln sich: eine langsam fortschreitende, als ‚Gegenhalten' (diffuser Widerstand gegen Bewegung der Extremitäten) bezeichnete Bewegungsstörung, Dystonie (meist generalisiert oder fokal) oder Ataxie, meist in Verbindung mit lebhaften Sehnenreflexen, Knöchelklonus und positivem Babinski. Etwa ab dem 20. Lebensjahr bestehen bei den Patienten eine reduzierte Sehschärfe, Photophobie, erworbene Farbschwäche und Zentralskotom. Etwa ab dem 30. oder 40. Jahr sind die Patienten legal blind. Eine langsam fortschreitende Demenz entwickelt sich ab der vierten Dekade. Bei Patienten mit Deletion mehrerer benachbarter Gene (sog. contiguous gene syndrome, CGS) können rezidivierende Infektionen auftreten. Wenn weibliche Überträger erkranken, sind ihre Symptome (beeinträchtigtes Hörvermögen, fokale Dystonie) nur milde ausgeprägt.
Ätiologie
Ursache des MTS ist entweder eine Mutation im TIMM8A-Gen (Xq22) oder ein CGS in der Chromosomenregion Xq22, was zum Mangel des Taubheits-Dystonie-Peptid-1 (DDP1) führt. Wenn das CGS auch das Bruton-Agammaglobulinämie-Tyrosinkinase (BTK)-Gen beinhaltet, treten zusätzlich im Sinne einer X-chromosomalen Agammaglobulinämie (XLA) rezidivierende Infektionen auf.
Diagnostische Verfahren
Die Kombination von Hörbeeinträchtigung und rezidivierenden Infektionen aufgrund einer XLA bei einem männlichen Patienten sollte eine Sequenzierung des TIMM8A-Gens veranlassen. Mit bildgebenden Verfahren wird das Vorliegen einer Hirnatrophie verifiziert. In vermuteteten Fällen von CGS ist ein Test auf XLA möglich.
Differentialdiagnose
Differentialdiagnosen sind: MELAS-Syndrom, Mitochondriale DNA-Depletions- Syndrom (enzephalomyopathische Form mit Methylmalonazidurie), Arts-Syndrom, X-chromosomale spinozerebelläre Ataxie Typ 3 und 4, McLeod-Neuroakanthozytose- Syndrom, Usher-Syndrom Typ 1 und 2, Wolfram-Syndrom, autosomal-rezessive nicht-syndromale sensorineurale Taubheit Typ DFNB; Pendred-Syndrom, und weitere Formen der Dystonie, in seltenen Fällen auch Friedreich-Ataxie (siehe jeweils dort).
Pränataldiagnostik
Eine pränatale Diagnostik ist durch molekulargenetische Analyse möglich.
Genetische Beratung
Das MTS wird X-chromosomal-rezessiv vererbt. Betroffenen Familien sollte eine genetische Beratung angeboten werden.
Management und Behandlung
Die Behandlung des MTS ist symptomatisch und verändert sich im Verlauf der Zeit. Hörhilfen werden mit unterschiedlichem Erfolg eingesetzt. Bei einem milden Hörverlust sind ein Hörgerät und Cochlea-Implantate eine Möglichkeit, während Hörhilfen mit visuellen Hilfestellungen in Fällen eines schwereren Hörverlustes verwendet werden. Management einer Dystonie und einer Ataxie beinhaltet eine Behandlung mit GABA -Agonisten zusammen mit einer psychomotorischen Förderung und Physiotherapie. Weitere unterstützende Maßnahmen sind Therapien für Taubblinde wie taktile Zeichensprache, mit denen fortschreitende sensorische Defizite behandelt werden. Bei Patienten mit sekundären Komplikationen kann im Fall von XLA intravenös verabreichtes Immunoglobulin Infektionen verhindern. Impfstoffe mit Lebendviren sollen bei XLA vermieden werden. Erwachsene Patienten sollen zur Erkennung von Demenz und/oder psychiatrischen Symptomen regelmäßig neurologisch untersucht werden.
Prognose
Die Prognose ist ungünstig. Die Kombination von Taubheit und Blindheit beeinträchtigt in schwerwiegender Weise die Kommunikation, während die weiter bestehende Bewegungsstörung zu einem zunehmend instabilen Gang führt. Die Lebenserwartung ist sehr unterschiedlich und kann vom Tod in der Adoleszenz (nach einer rasch fortschreitenden Dystonie) bis zu Patienten reichen, die über das 60. Lebensjahr hinaus überleben.
Für diese Krankheit ist eine Kurzbeschreibung in den folgenden Sprachversionen verfügbar: English (2019) Español (2019) Français (2019) Italiano (2019) Nederlands (2019) Polski (2013, pdf) Hebrew (2019, pdf)
Detaillierte Informationen
Übersichtsartikel
- Review-Artikel (Klinischen Genetik)
- English (2019) - GeneReviews


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