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Hyperoxalurie, primäre, Typ 1
Krankheitsdefinition
Die Primäre Hyperoxalurie Typ 1 (PH1) ist eine seltene Störung des Glyoxylat-Stoffwechsels und gekennzeichnet durch Akkumulation von Oxalat als Folge eines Mangels des peroxisomalen Leberenzyms L-Alanin: Glyoxylat-Aminotransferase (AGT). Das klinische Bild ist vielfältig und reicht von gelegentlicher symptomatischer Nephrolithiasis bis zu Nephrokalzinose und terminaler Nierenerkrankung mit systemischer Beteiligung.
ORPHA:93598
Klassifizierungsebene: Subtyp der StörungZusammenfassung
Epidemiologie
Die für Europa berichtete Prävalenz von PH1 reicht von 1/333,000 - 1/1,000,000. Höhere Werte wurden in Populationen mit hoher Konsanguinitätsrate gefunden.
Klinische Beschreibung
In Hinblick auf die klinischen Symptome und den Beginn der PH1 besteht eine signifikante Heterogenität. Merkmale der schweren infantilen Form sind Gedeihstörung, Nephrokalzinose mit oder ohne Nephrolithiasis und frühes terminales Nierenversagen. Bei Beginn im Kindesalter und in der Adoleszenz ist die Krankheit gekennzeichnet durch rezidivierende Urolithiasis (mit oder ohne Nephrokalzinose) und fortschreitendes Nierenversagen. Die spät, im Erwachsenenalter, beginnende Form ist vor allem durch gelegentliche Nierensteine gekennzeichnet. Beidseitige Obstruktion der Nieren durch Oxalatssteine ist jedoch eine mögliche Ursache von akutem Nierenversagen. Weitere Symptome sind Harnwegsinfektionen, Dysurie und Hämaturie. Mögliche Folgen der fortdauernden systemischen Oxalose sind kardiale Reizleitungsstörungen, Gefäßverkalkungen mit distaler Gangrän und beeinträchtigtes Sehvermögen, spezifische bräunliche Nierenablagerungen, Hautknötchen, betroffene Gelenke und Knochenerkrankungen, die bei länger dialyseabhängigen Patienten zu Frakturen führen.
Ätiologie
Ursache der PH1 ist ein Defekt des peroxisomalen Leberenzyms AGT durch Mutationen im AGXT-Gen (2q37.3). Wegen des AGT-Defektes wird Glyoxylat nicht mehr in Glyzin umgewandelt. Dies führt zu einem Anstieg des Glyoxylat-Pools, der weiter in schlecht lösliches Oxalat und in das klinisch nicht relevante Glykolat umgewandelt wird.
Diagnostische Verfahren
Den klinischen Verdacht wecken die klinischen Symptome und die Zusammensetzung der Steine aus reinem Kalziumoxalat-Monohydrat. Bestätigt wird die Diagnose durch das Verhältnis Oxalat:Kreatinin im Urin, durch Mutationsanalyse und, seltener, durch Bestimmung der AGT-Aktivität in der Leberbiopsie.
Differentialdiagnose
Differentialdiagnosen sind: Primäre Hyperoxalurie Typ 2, Primäre Hyperoxalurie Typ 3, Dent-Krankheit und familiäre Hyperkalziurie-Hypomagnesämie-Nephrokalzinose (siehe jeweils dort) sowie sekundäre Formen der Hyperoxalurie (enterische Hyperoxalurie, Diät-bedingte Hyperoxalurie) und idiopathische Kalziumoxalat-Urolithiasis.
Pränataldiagnostik
Bei in der Familie bekannter Mutation sind pränatale Gentests möglich.
Genetische Beratung
Die PH1 wird autosomal-rezessiv vererbt, die Heterozygoten sind symptomfrei. Den betroffenen Familien soll eine genetische Beratung angeboten werden.
Management und Behandlung
Eine frühe intensive Behandlung ist entscheidend für die Aufrechterhaltung der Nierenfunktion. Die Behandlung vor dem Auftreten eines fortgeschrittenen Nierenschadens besteht in der Minimierung der Kalziumoxalatablagerung durch Aufrechterhaltung einer hohen Urinausscheidung, Vitamin B6 (Pyridoxin) und Kalziumoxalat-Kristallisierungsinhibitoren (Zitrat, Pyrophosphat und Magnesium). Eine kombinierte Leber-Nieren-Transplantation ist bei den meisten Patienten als vorbeugendes Verfahren in Betracht zu ziehen und jede Art von Dialyse sollte vermieden oder zumindest minimiert werden. Ein Adeno-assoziierter viraler Vektor des Serotyps 5, der das humane Alanin-Glyoxylat- Aminotransferase-Gen enthält oder eine Zelltherapie stehen künftig in Europa für die Behandlung der Primären Hyperoxalurie evtl. zur Verfügung, es gibt aber noch keine Angaben über die Behandlung von Menschen.
Prognose
Wenn eine manifeste PH1 unbehandelt bleibt, hat sie eine sehr ungünstige Prognose. In der Zukunft wird die Prognose vermutlich durch Einsatz von Zell-/Gentherapie oder von Chaperon-Molekülen verbessert.
Detaillierte Informationen
Artikel für Fachleute
- Review-Artikel
- English (2013)
- Klinische Leitlinien
- English (2012)
- Review-Artikel (Klinischen Genetik)
- English (2018)
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